Salma Hayeks erste Bemerkung macht ihn fast sprachlos. Top-Regisseur Roland Emmerich
kontert, indem er den Hollywood-Star ermutigt, wirklich alles zu geben
Roland Emmerich kokettiert mit angeblichen Mängeln seiner Ausbildung in
der Heimat: "Dass man sich stundenlang fotografieren lassen muss", stöhnt
der Deutsche, der seit Jahren zu Amerikas Kino-Königen gehört, "hat uns
an der Münchner Filmhochschule niemand beigebracht." Erleichtert greift
der Regisseur zur Zigarette, als der VOGUE-Fotograf die Kamera schließlich einpackt. Wesentlich entspannter wirkt
seine Gesprächs- und Shooting-Partnerin: Salma Hayek lehnt ihren Kopf gegen Emmerichs Schulter und beginnt mit ihm
über Mexiko zu plaudern - ihr Geburtsland und Emmerichs
Wahlheimat neben Hollywood. Ihr bronzefarbener Teint und
ihre schwarzen Locken kontrastieren seine Blässe und kurzen
grauen Haare; auch sonst entsprechen beide in vielem dem
Bild der klassischen Latina beziehungsweise des typischen
Mitteleuropäers: Beim VOGUE-Gespräch sitzt Emmerich
nahezu bewegungslos auf der Couch, während Salma Hayek
kaum eine Minute lang ruhig bleibt - Sie springt auf, gestiku-
liert, fuchtelt mit den Händen, und als sie ihre liebste Salsa-
Club-Adresse verrät, tanzt sie spontan durchs Studio. Vielleicht liegt es aber auch an ihrem Eröffnungs-Kompliment,
dass Emmerich in süßer Andacht verharrt?
Salma Hayek: Lass mich eines gleich zu Anfang sagen: Ich finde dich unglaublich smart.
Roland Emmerich: Vielen Dank. Aber wir haben uns doch
gerade erst kennen gelernt ...
Salma Hayek: Nein, nein. Ich urteile nach deinen Filmen. Da
macht ausgerechnet ein Deutscher mit Independence Day
und Der Patriot die amerikanischsten Kino-Werke der jüngeren Geschichte. Das meine ich mit smart.
Roland Emmerich: Als ich zwölf war und einer meiner Brüder
in den Ferien nach Irland, der andere nach Frankreich fuhr,
fragte mich mein Vater, wo ich denn gern hinwollte. Ich sagte:
"Amerika." Und er: "Warum nicht?" So reiste ich als Kind
allein nach Amerika - seitdem bin ich in dieses Land verliebt.
Salma Hayek: Ich vertrete da eine etwas andere Theorie. Ich
glaube, du studierst die Menschen hier ganz genau, ihre Mentalität und ihre Fantasien. Und diese Visionen basieren auf der
Illusion, dass die Amerikaner die absoluten Helden der Welt
sind. Sie selbst nehmen das gar nicht so wahr. Aber Außenseiter wie du und ich registrieren dieses Phänomen sofort.
Roland Emmerich: Der Blick von außen spielt sicherlich eine
große Rolle. Ich merke es an meinem Unbehagen gegenüber
den typischen Feindbildern, die die Filmindustrie hier in
Hollywood pflegt - wie etwa die Deutschen, die Araber, die
Türken und die Russen.
Salma Hayek: Wie kommt es denn eigentlich, dass uns immer
die Amerikaner vor dem Untergang der Welt bewahren?
Roland Emmerich: In meinem aktuellen
Film Der Patriot
retten die Amerikaner nicht die Welt, sondern ihre eigene Haut. Und auch Independence Day entstand nicht mit der Absicht,
einen superpatriotischen Film zu machen.
Mein Partner (Koproduzent Dean Devlin,
Anm. d. Red.) ist halb Filipino, halb Jude. Ich bin
Deutscher. Deshalb entschlossen wir uns für drei Schlüsselfiguren: Von den beiden Piloten war der eine jüdisch, der andere dunkelhäutig, und der US-Präsident war ein typischer
WASP - ein "White Anglo-Saxon Protestant". Dann suchten
wir einen Tag, an dem Amerika besonders verletzlich ist - der
Unabhängigkeitstag, weil da alle feiern.
Salma Hayek: Roland, du musst dich gar nicht verteidigen.
Ich mache dir doch ein Kompliment ...
Roland Emmerich: Und vergiss nicht, mein deutscher Landsmann und Kollege in Hollywood, Wolfgang Petersen, hat auch
einen sehr patriotischen Film gemacht, Air Force One.
Salma Hayek: Dennoch steht fest, dass du die Menschen hier
bis zur Perfektion studiert hast ...
Roland Emmerich: Du hast Recht. Ich bin ein Beobachter. Das
gehört zu meinem Job. Wenn ich mich in Mexiko aufhalte - ich
habe ein Haus in Puerto Vallarta gekauft -, beobachte ich auch
die Mexikaner genau. Sie vertreten eine ganz andere Einstellung gegenüber den USA als die Deutschen. Manche meiner
Freunde in Mexiko können Amerika nicht ausstehen!
Salma Hayek: Ich glaube, da besteht viel Rivalität unter ungleichen Nachbarn.
Roland Emmerich: Wenn ein Mexikaner in den Norden geht,
tut er das aus ökonomischen Gründen - nicht, weil er seinem
Land den Rücken kehren möchte. Die Deutschen dagegen
haben sich nach dem Krieg kollektiv schuldig gefühlt. Sogar
Leute wie ich, die nach 1945 geboren wurden. Und ich hatte
immer das seltsame Gefühl, dass wir alle am liebsten Amerikaner wären.
Salma Hayek: Willst du denn etwa ganz offiziell Staatsbürger
der Vereinigten Staaten werden?
Roland Emmerich: Nein. Meine Wurzeln liegen in Deutschland.
Ich fühle mich als Deutscher und will in Hollywood auch nicht alt
werden. Meinen Lebensabend werde ich irgendwo in Europa
verbringen, vielleicht in Italien. L. A. ist zu groß, zu anonym.
Salma Hayek: Du denkst bereits an deinen Ruhestand? Damit
habe ich mich noch nie ernsthaft beschäftigt. Ich weiß nur: Am
liebsten würde ich mich in ein Haus am Meer zurückziehen.
Oder auf eine Farm mit vielen Tieren. Am besten: eine Farm
direkt am Meer! Fürchtest du dich denn vor dem Alter?
Roland Emmerich: Nein. Ich finde das Alter eine interessante
Lebensphase. Ich habe alte Gesichter immer schon für sehr
ausdrucksstark gehalten. Als deprimierend empfinde ich aber
die Tatsache, dass das Leben so verdammt kurz ist. Es geht ein-
fach zu schnell vorbei! Ich habe das Bedürfnis, jede Sekunde
ausfallen zu müssen. Und ständig nagt dieser Zweifel, ob ich
im Leben auch alles erreiche, was ich erreichen könnte.
Salma Hayek: Du bist doch in deinem Leben enorm weit gekommen. Mich plagen solche Gedanken eigentlich nicht: Ich
lebe derart intensiv, dass ich nie das Gefühl habe, ich würde
meine Zeit nicht optimal nutzen.
Roland Emmerich: Die Frage stellt sich, ob relaxen, gelegentlich einfach nichts tun, wirklich vergeudete
Zeit ist. Es muss doch möglich sein, auch
mal an gar nichts denken zu dürfen.
Salma Hayek: Es gibt noch einen weiteren Unterschied zwischen dir und mir: Du bist ein Regisseur
und ich eine Schauspielerin. Und als solche ist es
mir möglich, dem Leben ein Schnippchen zu schlagen.
Ich kann nämlich in meinen Rollen mehrere
Schicksale durchleben, nicht nur mein eigenes. Zu
schade, dass der Tag nur 24 Stunden hat! Ich bin
nicht zielorientiert; liebe aber den Prozess. Das
ganze Leben ist ein Prozess.
Roland Emmerich: Apropos langes Leben. Was
trinkst du da eigentlich? Sieht gesund aus.
Salma Hayek: Ich habe eine ganz eigenartige
Allergie: Ich vertrage keine synthetischen Vitamine, also
keine entsprechenden Tabletten oder Pulver. Mit Obst und
Fruchtsäften habe ich dagegen keine Probleme. Dies beispielsweise ist ein Saft aus frisch gepressten Birnen, Ananas
und Pfirsichen.
Roland Emmerich: Good girl - deine Mutter wäre sicher
zufrieden mit dir. Meine hat immer Angst, dass ich zu viel rauche
und zu wenig esse, was beides zutrifft. Aber ich gleiche da eher
meinem Vater, der schert sich auch wenig um seine Gesundheit.
Angeblich soll man einmal im Jahr einen Check-up beim
Arzt machen - ich schaffe das nur alle drei oder vier Jahre.
Salma Hayek: Mich regelmäßig in einem Fitness-Studio zu
quälen - das würde ich nicht aushalten. Dafür liebe ich
ausgedehnte Spaziergänge. Schon deshalb genieße ich es, in L. A. zu
leben. Hier habe ich nicht nur meinen Arbeitsplatz, sondern
auch die unendlich großen Parks, in denen ich stundenlang
laufen kann, ohne einem Menschen zu begegnen.
Roland Emmerich: Mich erstaunt immer wieder die Fähigkeit
des Körpers, sich auf bestimmte Umstände einzustellen. Während der Dreharbeiten esse ich kaum etwas, rauche ununter-
brochen, trinke Kaffee und schlafe wenig. Und das über viele
Wochen hinweg. Da werden wohl unglaubliche Mengen an
Adrenalin ausgestoßen ... Das Paradoxe ist: Arbeite ich nicht
so hart, werde ich schneller müde.
Salma Hayek: Ich habe nie geraucht. Als Teenager durfte ich
nicht, und später ...
Roland Emmerich: Bist du streng erzogen worden?
Salma Hayek: Ja, ich bin in einer katholischen Familie aufgewachsen. Und die Religion hat auch mein Wertesystem beein-
flusst. Die von der Kirche vorgeschriebenen Rituale, etwa
sonntags zur Messe gehen zu müssen, lehne ich allerdings ab.
Roland Emmerich: Aber die Vorstellung, die du von Gott hast,
wurde von der katholischen Kirche geprägt.
Salma Hayek: Ich habe kein Bild Gottes vor Augen. Ich habe
nie eine Darstellung Gottes gesehen. Abbildungen von Jesus,
ja. Aber ich denke, das ist etwas anderes. Wie ist denn deine
Einstellung zur Religion?
Roland Emmerich: Glaube ist etwas sehr Persönliches. Und
deshalb sollte Glaube in keiner Weise organisiert sein. Wird
Religion mit Kirche gleichgesetzt, kann ich reinen Gewissens
sagen, nicht religiös zu sein. Aber natürlich habe ich
Wertvorstellungen, die ins Spirituelle gehen. Ganz einfach
ausgedrückt: Ich glaube, dass ich für gute Taten belohnt werde, dass
sich mein Handeln auf meine Befindlichkeit auswirkt.
Salma Hayek: Hier hast du eine Chance für eine gute Tat: Ich
brauche deinen Rat.
Roland Emmerich: Herzlichen Dank für das Angebot.
Salma Hayek: Wie du vielleicht weißt, habe ich meine eigene
Produktionsfirma. Wir entwickeln Projekte fürs Fernsehen.
Und wir arbeiten an zwei Filmen. Neulich passierte etwas
Ungewöhnliches: Der Präsident eines Kabel-Networks ruft
mich an und sagt mir, er habe mich beobachtet, privat und
professionell. Und er sei sich sicher, ich würde eine sehr gute
Regisseurin abgeben. Ich antworte spontan: Nein, das kann
ich nicht.
Roland Emmerich: Falsch. Du solltest auf jeden Fall die
Herausforderung annehmen. Du kannst dadurch nur lernen. Ich
habe nun monatelang mit Mel Gibson zusammengearbeitet,
und ich konnte klar sehen, dass er ein besserer Schauspieler
geworden ist, seit er auch Regie führt. Er spürt das auch selbst.
Salma Hayek: Dieses Angebot kam eben so überraschend. Ein
kleiner Schock!
Roland Emmerich: Du bist intelligent und nimmst kein Blatt
vor den Mund. Du hast keine Angst, auch das zu sagen, was du
willst, und das ist die erste Regel für eine erfolgreiche Regisseurin.
Salma Hayek: Ich neige dazu, Leute auf Trab zu halten. Meine
Mutter sagt sogar, meine wirkliche Profession sei Diktatorin.
Roland Emmerich: Sehr gut! Ich bin genauso, und deshalb bin
ich überhaupt Regisseur geworden. Ursprünglich träumte ich
von einer Karriere als Filmarchitekt. Aber ich war so rigoros
in meinen Ansichten und Anforderungen, dass alle sagten:
Mit dieser Attitüde ruinierst du die Filme der Regisseure. Entweder änderst du dich, oder du wirst selbst Regisseur.
Salma Hayek: Meine nächste Reaktion fand ich dann interessant: Ich las das Drehbuch und fing sofort an, zu kritisieren und
Details zu verbessern. Ich entwickelte eine richtige Vision, wie
der Film aussehen sollte. Bei der Besprechung eröffnete ich
dann den Produzenten: Ich mag das Script; aber ich muss
gestehen, ich würde es komplett anders aufziehen. Sie sagten,
okay, lass uns deine Ideen hören.
Roland Emmerich: Und was passierte?
Salma Hayek: Sie fanden meine Vorschläge gut. Also werde
ich's machen! (Sie springt auf und tanzt triumphierend einige
Salsa-Schritte.)
Roland Emmerich: Bravo! Du fragtest mich nach meinem Rat.
Hier ist er: Ein Regisseur hat seinen Film in- und auswendig zu
kennen, bis in alle Details. Du musst nämlich pro Drehtag
rund 2000 Fragen präzise beantworten können - ohne Zeit für
Diskussionen. Deshalb auch das diktatorische Element. Es
muss gemacht werden, was du sagst, sonst läuft dir das Projekt
aus dem Ruder.
Salma Hayek: Als Regisseurin spielt auch mein spanischer
Akzent keine Rolle.
Roland Emmerich: Ein Akzent muss nicht unbedingt die
Rollenauswahl in Hollywood einschränken, oder? Arnold
Schwarzenegger gab sich noch nicht ein-
mal Mühe, seinen Akzent zu verlieren.
Oder Armin Mueller-Stahl: Trotz seiner
sehr deutschen Aussprache bekommt er
dauernd tolle Rollen.
Salma Hayek: Möglich. Aber ich denke,
dass mir manche Chancen entgehen, weil
man sich bestimmte Charaktere nicht mit
einem Akzent vorstellen kann. Im Film muss man dann eine
Erklärung dafür finden, wie etwa in Wild Wild West, wo ich die
Tochter eines mexikanischen Edelmanns spielte.
Roland Emmerich: Ich war einmal am Set von Wild Wild West
- leider an einem deiner freien Tage. Da drehten sie gerade
eine etwas frivole Szene: Will Smith mit einer hübschen jungen
Frau in einem Wassertank.
Salma Hayek: Diese Szene hatte sehr unangenehme Folgen.
Der Regisseur war mit dem Shoot unzufrieden: Aus irgendei-
nem Grund entsprach die Frau nicht seinen Erwartungen. Des-
halb wurde die Szene später noch mal gedreht - mit einer ande-
ren Darstellerin. Alle hatten das total vergessen, bis zum Tag
der Premiere. Da sehe ich plötzlich auf dem roten Teppich die
Frau vom ersten Dreh. Niemand hatte ihr gesagt, dass sie aus
dem Film herausgeschnitten worden war. Nun geht sie stolz
und hoffnungsvoll zur Premiere, erhofft sich einen großen
Karrieresprung - und ist überhaupt nicht im Film. Wie ent-
setzlich! Und wie peinlich. So etwas muss doch die Hölle sein!
Roland Emmerich: Schrecklich. Ich lege großen Wert darauf,
dass alle Schauspieler, die aus einem Film geschnitten werden
- und das geschieht immer wieder mal -, einen freundlichen
Brief bekommen, eine Videokassette von ihrer Szene, eine
Ermunterung. Darauf achte ich sehr.
Salma Hayek: Du scheinst wirklich in alle Einzelheiten deiner
Projekte involviert zu sein. Was planst du denn als Nächstes?
Roland Emmerich: Ich habe noch keine Ahnung. Ich lebe
ganz und gar für ein Projekt, bis es in den Kinos anläuft. Erst
dann denke ich über Neues nach. Was ich schon lange mit mir
herumtrage, ist ein Film über Ägypten, über den Pharao
Tutanchamun. Hoffentlich finde ich jetzt Zeit dafür! Aber du
hast Recht, ich neige dazu, alles auf meine Schultern zu laden.
Das will ich nicht mehr. Ich möchte den Film nicht mehr selbst
schreiben. Ich muss lernen, mich auf meine eigene Arbeit zu
konzentrieren - und alles andere zu delegieren.
Salma Hayek: Ich bin wie du ein Workaholic. Niemand
außerhalb des Filmbusiness macht sich eine Vorstellung, wie hart
man arbeiten muss, um ein Projekt zu vollenden. Unglaublich!
Aber ich nehme mir Zeit für anderes. Für meine Familie. Für
mein Privatleben. Wie zum Beispiel heute: Nachher gehe ich
zum Basketball. Die Lakers spielen, da muss ich hin.
Roland Emmerich: Ich interessiere mich nicht so sehr für Bas-
ketball. Aber mein Partner Dean trägt sogar bei wichtigen
Meetings seine Lakers-Jacke.
Salma Hayek: Lakers-Jacke? Das ist noch gar nichts: Ich habe
nur ein einziges Spiel der Lakers verpasst. Einmal lagen wir
so weit zurück, dass allein ein Gelübde noch helfen konnte:
Lieber Gott, dachte ich, wenn wir gewinnen, erscheine ich beim
nächsten Spiel mit violetten Haaren.
Roland Emmerich: Weil Lila die Farbe der Lakers ist?
Salma Hayek: Genau. Wenige Minuten vor Schluss waren wir
mit 13 Punkten im Rückstand. Und gewannen doch! Das nächste Mal kam
ich tatsächlich mit einer violetten Perücke ... Ich
mag Sport. Boxen etwa finde ich großartig. Und Fußball. Eines
werde ich euch Deutschen nicht vergeben: Ihr habt Mexiko bei
der letzten Weltmeisterschaft rausgeschmissen.
Roland Emmerich: Hast du eine Ahnung, wo ich während die-
ses Spiels war? In Mexiko, in einer Bar mit Großbildschirm.
Ein einheimischer Freund warnte mich mit einer drastischen
Geste ... (fährt sich mit der Hand über den Mund, als würde er
einen Reißverschluss zuziehen).
Salma Hayek: 0 Gott, wenn die deine deutsche Aussprache
gehört hätten ...
Roland Emmerich: Mir wäre schon nichts passiert. Ich liebe
Mexiko. Für mich ist dieses Land das ideale Gegengewicht zu
meinem Leben hier. Deshalb habe ich mir dieses Haus in
Puerto Vallarta gekauft und nach meinen Vorstellungen renovieren
lassen. Mein Architekt fragte mich, ob er eines der großen
Zimmer in einen Film-Vorführraum umwandeln sollte. Ich
lehnte ab. Ich wollte einen Abstand zu meiner Arbeit finden.
Salma Hayek: In Los Angeles gelingt das nicht. Hier dreht sich
alles um Film.
Roland Emmerich: Richtig. Ich muss auch hier radikal sein.
Die Leute um mich herum sind gewöhnt, dass sie mich dauernd auf alles ansprechen können.
Jetzt sage ich: "Nein. Ich
will zu dieser Kunstausstellung nach London fliegen und nichts
weiter hören." Das ist mein persönlicher Erziehungsprozess.
Salma Hayek: Kunst scheint etwas zu sein, was uns beide fasziniert.
Roland Emmerich: Als ich jung war, habe ich viel gemalt. Dann
entschied ich mich doch für das Filmemachen. Aber Kunst ist
für mich ungeheuer wichtig geblieben. Jetzt habe ich mir in
New York eine Wohnung gekauft. Weil ich erstens das Theater
für mich entdeckt habe - früher glaubte ich immer, nichts sei
langweiliger als Theater. Aber vor allem, weil ich es liebe, New
Yorks Galerien zu durchforschen. Ich kaufe ununterbrochen
Gemälde. Mein Favorit ist im Augenblick ein Inder namens
Bari Kumar. Demnächst ziehe ich um, damit ich mehr Platz
für all meine Bilder habe ...
t
Salma Hayek: Für Kunst gebe auch ich mein Geld aus.
Ich kaufe wenig Kleider - Schauspielerinnen haben ja das Privileg,
von Designern oft glamourös ausgestattet zu werden. Aber
Kunst ist meine Passion, da kann ich mich völlig vergessen.
Roland Emmerich: Ich bin eher kontrolliert. Meine Regel, die
ich strikt befolge, lautet: Kaufe nie ein Bild, das mehr als
15 000 Dollar kostet. Da kann mir ein 30 000-Dollar-Bild noch
so gut gefallen - ich bleibe hart.
Salma Hayek: So etwas wäre bei mir nicht möglich. Ich
verehre leidenschaftlich das Werk von Frida Kahlo. Einmal
entdeckte ich ein Bild von ihr, das bei Sothebys zur Auktion
angeboten wurde. Ich musste es einfach haben.
Roland Emmerich: Oje ...
Salma Hayek: Warte, du hörst jetzt eine ganz verrückte
Geschichte. Teile der US-Army waren im Einsatz im Kosovo. Die
Soldaten durften sich aussuchen, welchen Star sie bei einer so
genannten Truppenbetreuung am liebsten sehen würden. Sie
wählten nicht Julia Roberts, nicht Cameron Diaz - sondern
mich! Das empfand ich als unglaubliche Ehrung. Im Hubschrauber wurde ich ins Kriegsgebiet geflogen. Ich hörte
Schüsse, und ich sah die Männer in Uniform. Aber gleichzeitig
lief in New York die Versteigerung dieses Bildes. In meinem
Kopf wirbelte es: Ich bin Zeugin eines Kriegseinsatzes.
Menschen sterben. Ich bin der Wunsch-Star der Truppen.
Ich muss
das Bild haben. Ich hatte einen Agenten zur Auktion bestellt.
Ich setzte ihm Limits. Widerrief sie Minuten später. Erhöhte
sie. Trieb den Mann in den Wahnsinn. Dann konnte ich nachts
nicht schlafen. Wegen des Kriegs? Nein, weil ich nicht wusste,
ob ich das Bild bekommen hatte oder nicht. Ist das nicht
furchtbar? Dann rief er an und sagte: "Wir haben es!" Es
kostete ein Vermögen. Aber ich besitze es.
Roland Emmerich: Was beeindruckt dich bei Frida Kahlo am
meisten?
Salma Hayek: Ehrlich gesagt, möchte ich darüber nicht sprechen.
Ich bereite gerade einen Film über sie vor, und habe
Angst, das Thema zu zerreden, ehe das Projekt begonnen hat.
Roland Emmerich: Das musst du unbedingt machen! Frida
Kahlo war eine außergewöhnliche Frau. Ich verrate dir etwas:
Als ich ihr Haus in Mexiko-Stadt besuchte, fand ich es so
zauberhaft, dass ich ihre Fenster für mein Haus nachbauen ließ.
Salma Hayek: Wirklich? Du musst mich dorthin einladen.
Ich
stelle dir dafür mexikanische Maler vor, die in deinem
Preisrahmen liegen. Und ich koche für dich. Ich mache
sensationelle "Pfannekuchen" (sie spricht das Wort deutsch aus). Wir
haben deutsche Verwandte, die haben mir das beigebracht.
Roland Emmerich: Wunderbar. Und du musst die Chance
ergreifen und Regie führen. Denn auf diese Weise hast du mit
allen aufregenden Bereichen des Kinos zu tun: Architektur,
Fotografie, Schreiben, Beleuchtung, Musik.
Salma Hayek: Musik gehört jetzt schon zu meinem Leben. Es
gibt da eine kleine Kneipe in L. A., "El Florelita". Nirgends
wird besserer Salsa gespielt. Ich werde dort oft von Unbekannten aufgefordert. Das gefällt mir. Die meisten sind fantastische Tänzer - richtig heiß.
Das Gespräch wurde aufgezeichnet von Elmar Biebl
© HayekHeaven. Transcript by Coffee