CINEMA: Sie sind gerade eben aus
L.A. gekommen. Sind Sie noch
müde?
Salma Hayek: Schätzchen, ich
werde nie müde.
CINEMA: Okay, dann können wir
ja über "Fools Rush In" reden. Der
romantischste Moment in diesem Film
ist, als Isabel ihrem Alex zum
Geburtstag seine New Yorker
Lieblings-Hotdogs nach Las Vegas
einfliegen läßt. Was war das
Romantischste, das Sie je getan
haben?
Salma Hayek: Ach Gott, ich habe
schon so viele verrückte und
romantische Sachen gemacht! Als ich
in Mexiko arbeitete und mein
damaliger Freund in San Diego krank
wurde, bin ich morgens mit einem
Topf heißer Suppe hingeflogen und
habe ihn ein bißchen aufgepäppelt.
Abends jettete ich dann zurück nach
Mexiko, weil ich auf der Bühne
stehen mußte. (Mit verklärtem
Lächeln:) Einmal habe ich sogar
einem Mann unter seinem Fenster ein
Ständchen gebracht - mit einem
Mariachi und dem ganzen
Schnickschnack. So albern und
romantisch war ich mal. Aber die
Zeiten sind vorbei!
CINEMA: Sind Sie etwa zu einer
knallharten Geschäftsfrau geworden?
Salma Hayek: Genau! (Lacht.)
Nein, ganz so schlimm ist es nicht.
Aber hinterher, wenn die Beziehung
vorbei ist, fühlt man sich so dermaßen
bescheuert...
CINEMA: In "Fools Rush In"
heiraten Sie Matthew Perry, nachdem
Sie erfahren, daß Sie schwanger sind.
Würden Sie im wirklichen Leben
genauso handeln?
Salma Hayek: (Amüsiert:) Matthew
heiraten?
CINEMA: Nein, irgend jemanden,
den Sie kaum kennen. Nur weil Sie
schwanger von ihm sind.
Salma Hayek: Hmmm. Gemeine
Frage. Ich habe eine große Klappe
und könnte jetzt natürlich sagen: Oh
nein! Nie im Leben würde ich so was
Unüberlegtes tun. Aber ich könnte
das erst ehrlich beantworten, wenn
ich wirklich in eine solche Situation
käme. Ich würde nie jemanden
heiraten, nur weil ich schwanger bin.
Mädchen mit der Einstellung: Macht
nix, ob du mich liebst oder nicht oder
ob wir überhaupt miteinander
klarkommen - ich will dich trotzdem!,
Mädchen, die schwanger werden, nur
um jemanden vor den Altar zu
schleppen, finde ich grauenvoll. Stell
dir nur vor, was der arme Kerl für
einen Schaden davonträgt. Aber
wenn man schwanger wird von
jemandem, bei dem man das Gefühl
hat: Das könnte der Mann fürs Leben
sein - warum sollte man ihm nicht eine
Chance geben?
CINEMA: "Fools Rush In"
unterscheidet sich von anderen "Boy
meets girl"-Komödien. Isabel ergreift
gern selbst die Initiative. Haben Sie
mit ihr etwas gemeinsam?
Salma Hayek: Wie sie glaube ich an
das Schicksal, und ich bin sehr
abergläubisch. Ich lasse meinen
Geldbeutel nie auf dem Fußboden
liegen, weil mir meine Mutter
beigebracht hat, daß das Geld dann
wegläuft. Wenn der Salzstreuer auf
dem Tisch umfällt, schmeiße ich ihn
hinter mich - egal, wo ich gerade bin.
Was habe ich noch mit Isabel
gemeinsam? Mal sehen: Ich habe ein
sehr enges Verhältnis zu meiner
Familie. Wenn meine Familie
zusammenkommt, heißt das, daß wir
für 300 Leute Essen kochen müssen.
CINEMA: Ein anderer Aspekt in
"Fools Rush In" ist das angespannte
Verhältnis zwischen Mexikanern und
Amerikanern. Glauben Sie, daß der
Film dieses Verhältnis realistisch
darstellt?
Salma Hayek: Erst mal fand ich es
toll, daß in diesem Film die
Mexikaner nicht als Gauner oder
Bösewichte dargestellt werden. Die
Familie von Isabel hält zusammen, sie
unterstützen sich gegenseitig. Und
diese Wärme, diese Nähe ist sehr
realistisch. Das unterscheidet "Fools
Rush In" von der stereotypen
Charakterisierung von Mexikanern in
anderen Filmen. Ich habe sehr darum
gekämpft, daß die Figuren dreidimen-
sionale Charaktere werden. Isabel ist
kein einfach gestrickter
Comedy-Charakter. Sie trifft
schwerwiegende Entscheidungen. Sie
macht Fehler. Sie belügt ihren Mann.
Weil sie versucht, das Beste aus
ihrem Leben zu machen. Und das
macht sie zu einer realistischen
Person. Wo gibt's so was schon in
einer romantischen Komödie?
CINEMA: Ist Ihr nächster Film
"Breaking Up" auch eine romantische
Komödie?
Salma Hayek: Er ist nicht unbedingt
eine Komödie, aber ja, er ist sehr
romantisch. Die Beziehung zwischen
Mann und Frau geht in diesem Film
noch etwas tiefer.
CINEMA: Das ist also Ihr zweiter
Film in Folge, der sich mit
Beziehungskisten beschäftigt...
Salma Hayek: Wissen Sie, wenn
man zwei Filme dreht, in denen
ständig etwas explodiert und Leute
erschossen werden (grinst), möchte
man sich danach mal dem wahren
Leben, realistisch- en Figuren und
Alltagsproblemen widmen. "Breaking
Up" handelt von etwas, das mich sehr
fasziniert. Und zwar von dem
Phänomen, daß wir niemals die
Person heiraten, die wir wirklich
lieben. Denn vor der großen Liebe
hat man Angst, man gibt sich völlig in
die Hand des anderen und verliert die
Kontrolle über sein eigenes Leben.
Also heiratet man lieber jemanden,
mit dem man gut klarkommt, mit dem
man sich gut versteht. "Fools Rush In"
erzählt von der Liebe, "Breaking Up"
von der Angst vor der Liebe - der am
weitesten verbreiteten Angst in den
Neunzigern.
CINEMA: Damit müßten Sie ja
Erfahrungen haben. Sie waren viermal
verlobt, und es hat nie geklappt.
Glauben Sie denn überhaupt noch an
die Liebe?
Salma Hayek: Ich glaube an die
Liebe, aber ich muß zugeben, daß ich
an eine andere Art der Liebe glaube -
ich bin nicht mehr so blauäugig. Und
zu meinen Verlobungen will ich Ihnen
folgendes sagen: Sie sind nicht
geplatzt, weil ich Angst vor der Liebe
hatte, sondern weil ich klug genug
war, rechtzeitig abzuhauen. Einmal
allerdings lebte ich mit einem Mann
zusammen, und wir waren nicht
verlobt. Trotzdem war ich fest der
Meinung: Der ist es! Dieser Mann hat
mir damals das Herz gebrochen. Und
daher kommt wohl meine Angst vor
der Liebe. Aber in den Neunzigern ist
es doch allgemein so: Wir analysieren
alles, wir müssen auf alles eine
Antwort finden. Warum empfinde ich
so? Warum hat er das gerade getan?
Wir wollen alles verstehen, und dabei
haben wir es verlernt, die Liebe
einfach zu genießen.
CINEMA: Da wir gerade von Angst
reden: Hatten Sie Angst vor Ihrem
Umzug von Mexiko nach Los
Angeles? Oder war es eher pure
Aufregung, in L.A. zu arbeiten?
Salma Hayek: Es war eine
Mischung aus Angst und
Herausforderung. Jede
Herausforderung bringt auch eine
gewisse Angst mit sich, weil man nie
weiß, was passieren wird. Und
Aufregung (bitteres Lachen)... Es war
alles andere als aufregend. Junge, bin
ich durch die Hölle gekrochen. Aber
meine Leidenschaft war stärker als
die Angst.
CINEMA: Ihre ersten US-Filme
haben Sie mit Robert Rodriguez
gedreht. Sie beide haben den gleichen
mexikanischen Background...
Salma Hayek: Oh Mann, mit
diesem Mann verbindet mich so viel.
Roberts Frau ist meine beste
Freundin. Ich würde hier nicht sitzen
und mit Ihnen reden, wenn diese
Familie nicht an mich geglaubt und
mir meine Chance gegeben hätte.
Natürlich ist Robert ein guter Freund
und ein Mentor, aber seine Frau ist
für mich so etwas wie eine spirituelle
Führerin.
CINEMA: Muß man Mexiko
unbedingt verlassen, um beim Film
Karriere zu machen?
Salma Hayek: Ich jedenfalls mußte
es tun. Denn es gibt in Mexiko zwar
viele Talente, aber kein Geld, um
diese Talente zu enga- gieren. Also
werden dort pro Jahr nur ein oder
zwei wirklich gute Filme produziert.
Als ich ein Fernsehstar war, gab man
mir keine Chance, in einem dieser
Filme mitzuspielen - auch, weil
zwischen der Film- und der Fernseh-
industrie eine Art Kleinkrieg herrscht.
Also bin ich in die USA gegangen
und habe auch dort im Fernsehen
angefangen. Und soll ich Ihnen was
sagen? Ich habe genau denselben
TV-Dreck gedreht wie in Mexiko.
Als ich das erste Angebot für einen
Film bekam, schickte mir auch ein
mexikanischer Regisseur prompt ein
Kino-Drehbuch. Und ich sagte zu
meinem Agenten: Weißt du was?! Ich
gehe zurück nach Mexiko und drehe
einen Film.
Er war erschüttert: (Laut:) "Bist du
von allen guten Geistern verlassen?
Du hast zwei Angebote und
entscheidest dich für das
mexikanische? Warum bist du dann
überhaupt hergekommen?" (Sanft:)
"Weil mir vorher niemand was
angeboten hat und ich außerdem
glaube, daß dieser Film hier scheiße
ist und der mexikanische toll wird."
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich wurde
wütend, wir haben uns zerstritten, ich
flog nach Mexiko und habe diesen
Film gemacht. Er hieß "El Callejon de
los Milagros", hat einen Sonderpreis
in Berlin und 16 weitere internationale
Auszeichnungen gewonnen. Der
amerikanische Film, den ich sausen
ließ, hat's nicht mal ins Kino
geschafft. (Grinst:) Habe ich nicht
eine tolle Nase für gute Filme?
CINEMA: Hat Hollywood für die
private Salma Hayek mehr zu bieten
als Mexiko? Oder gibt es tatsächlich
irgendwas, das Sie in L.A.
vermissen?
Salma Hayek: Das, was ich am
meisten vermisse, kann mir weder
Mexiko noch Los Angeles geben:
meine Privatsphäre. Ich habe einfach
kein Privatleben mehr, und das ist
manchmal verdammt ätzend.
Ansonsten vermisse ich kaum etwas,
denn ich fliege alle Nase lang nach
Hause, besuche meine Familie, stopfe
mich mit mexikanischem Essen voll
und bekomme Durchfall. Außerdem
leben viele meiner Freunde
mittlerweile auch in Los Angeles. Ich
bin in der glücklichen Lage, beide
Welten miteinander vereinbaren zu
können.
CINEMA: Gibt es einen Regisseur,
mit dem Sie immer schon mal
zusammenarbeiten wollten?
Salma Hayek: (Wie aus der Pistole
geschossen:) Woody Allen. Die
Chance ist zwar ziemlich klein, weil er
immer nur diese New-York-Stories
dreht, aber vielleicht will ich gerade
deshalb so gern mit ihm arbeiten.
CINEMA: Sie haben mal gesagt,
daß Sie irgendwann mal einen Film
drehen würden, der ein Klassiker
wird. Haben Sie diesen
Karrierepunkt nicht schon abgehakt?
Salma Hayek: Ich glaube,
"Desperado" und vielleicht "From
Dusk Till Dawn" sind schon auf ihre
Art Klassiker. Robert (Rodriguez, die
Red.) hat seinen eigenen Stil, seine
eigene visuelle Sprache. Ich liebe es,
mit solchen risikofreudigen Kollegen
zusammenzuarbeiten, denn nur so
kann sich die Filmindustrie
weiterentwickeln. Das Angebot, über
das ich gerade nachdenke, ist so ein
Beispiel. Es ist ein kleiner, aber sehr
starker Independent- Film. Ich soll
einen Junkie spielen, deren Freund
ein Pornostar ist und Aids hat. Und er
hat eine Beziehung zu einem anderen
Mann, den er wirklich liebt. Das
Verhältnis zwischen diesen drei
Menschen ist sehr intensiv, sehr
selbstzerstörerisch. Ein verdammt
harter Film. Ich glaube, ich werde ihn
machen.
CINEMA: Sehen Sie sich Ihre Filme
im Kino an?
Salma Hayek: Nee, ich gehe zur
Premiere, und das war's dann.
"Desperado" mußte ich mir
mindestens 1000mal ansehen
(verdreht die Augen). Robert arbeitet
zu Hause am Schnitt, und immer
wenn ich seine Frau besuchte, hörte
ich mich im Hintergrund diesen
bescheuerten Song singen (mit
Kieksstimme): "Quédate aqui..."
CINEMA: Sie sind jetzt 28...
Salma Hayek: (Lacht.) Ja, bin ich,
aber schreiben Sie das bloß nicht!
CINEMA: Was möchten Sie denn
erreicht haben, wenn Sie 50 sind?
Salma Hayek: Hmmm... Wenn ich
50 bin, möchte ich Kinder haben und
einen Ehemann. Und ich will ihn
behalten! Außerdem möchte ich
Rollen spielen, die nicht nur für
Latino-Mädchen geschrieben
wurden. Und ich will es allen gezeigt
haben, die meinen, nur weil ich einen
mexikanischen Akzent habe, sei ich
nicht genauso smart wie sie.
Interview: Helmut Fiebig, Eric
Stahl