navigate @ newsstand
latest news & archive
articles & interviews
transcripts
magazine rack
rewind 2001 2000
tv schedule

articles & interviews
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995

"Ich bin durch die Hölle gekrochen!"

In "Desperado" und "From Dusk Till Dawn" floß das Blut eimerweise, in der romantischen Komödie "Fools Rush In" wird uns Salma Hayek zu Tränen rühren. CINEMA sprach mit der umwerfend charmanten Mexikanerin über Angst, geplatzte Verlobungen und den Glauben an die große Liebe

CINEMA: Sie sind gerade eben aus L.A. gekommen. Sind Sie noch müde?

Salma Hayek: Schätzchen, ich werde nie müde.

CINEMA: Okay, dann können wir ja über "Fools Rush In" reden. Der romantischste Moment in diesem Film ist, als Isabel ihrem Alex zum Geburtstag seine New Yorker Lieblings-Hotdogs nach Las Vegas einfliegen läßt. Was war das Romantischste, das Sie je getan haben?

Salma Hayek: Ach Gott, ich habe schon so viele verrückte und romantische Sachen gemacht! Als ich in Mexiko arbeitete und mein damaliger Freund in San Diego krank wurde, bin ich morgens mit einem Topf heißer Suppe hingeflogen und habe ihn ein bißchen aufgepäppelt. Abends jettete ich dann zurück nach Mexiko, weil ich auf der Bühne stehen mußte. (Mit verklärtem Lächeln:) Einmal habe ich sogar einem Mann unter seinem Fenster ein Ständchen gebracht - mit einem Mariachi und dem ganzen Schnickschnack. So albern und romantisch war ich mal. Aber die Zeiten sind vorbei!

CINEMA: Sind Sie etwa zu einer knallharten Geschäftsfrau geworden?

Salma Hayek: Genau! (Lacht.) Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Aber hinterher, wenn die Beziehung vorbei ist, fühlt man sich so dermaßen bescheuert...

CINEMA: In "Fools Rush In" heiraten Sie Matthew Perry, nachdem Sie erfahren, daß Sie schwanger sind. Würden Sie im wirklichen Leben genauso handeln?

Salma Hayek: (Amüsiert:) Matthew heiraten?

CINEMA: Nein, irgend jemanden, den Sie kaum kennen. Nur weil Sie schwanger von ihm sind.

Salma Hayek: Hmmm. Gemeine Frage. Ich habe eine große Klappe und könnte jetzt natürlich sagen: Oh nein! Nie im Leben würde ich so was Unüberlegtes tun. Aber ich könnte das erst ehrlich beantworten, wenn ich wirklich in eine solche Situation käme. Ich würde nie jemanden heiraten, nur weil ich schwanger bin. Mädchen mit der Einstellung: Macht nix, ob du mich liebst oder nicht oder ob wir überhaupt miteinander klarkommen - ich will dich trotzdem!, Mädchen, die schwanger werden, nur um jemanden vor den Altar zu schleppen, finde ich grauenvoll. Stell dir nur vor, was der arme Kerl für einen Schaden davonträgt. Aber wenn man schwanger wird von jemandem, bei dem man das Gefühl hat: Das könnte der Mann fürs Leben sein - warum sollte man ihm nicht eine Chance geben?

CINEMA: "Fools Rush In" unterscheidet sich von anderen "Boy meets girl"-Komödien. Isabel ergreift gern selbst die Initiative. Haben Sie mit ihr etwas gemeinsam?

Salma Hayek: Wie sie glaube ich an das Schicksal, und ich bin sehr abergläubisch. Ich lasse meinen Geldbeutel nie auf dem Fußboden liegen, weil mir meine Mutter beigebracht hat, daß das Geld dann wegläuft. Wenn der Salzstreuer auf dem Tisch umfällt, schmeiße ich ihn hinter mich - egal, wo ich gerade bin. Was habe ich noch mit Isabel gemeinsam? Mal sehen: Ich habe ein sehr enges Verhältnis zu meiner Familie. Wenn meine Familie zusammenkommt, heißt das, daß wir für 300 Leute Essen kochen müssen.

CINEMA: Ein anderer Aspekt in "Fools Rush In" ist das angespannte Verhältnis zwischen Mexikanern und Amerikanern. Glauben Sie, daß der Film dieses Verhältnis realistisch darstellt?

Salma Hayek: Erst mal fand ich es toll, daß in diesem Film die Mexikaner nicht als Gauner oder Bösewichte dargestellt werden. Die Familie von Isabel hält zusammen, sie unterstützen sich gegenseitig. Und diese Wärme, diese Nähe ist sehr realistisch. Das unterscheidet "Fools Rush In" von der stereotypen Charakterisierung von Mexikanern in anderen Filmen. Ich habe sehr darum gekämpft, daß die Figuren dreidimen- sionale Charaktere werden. Isabel ist kein einfach gestrickter Comedy-Charakter. Sie trifft schwerwiegende Entscheidungen. Sie macht Fehler. Sie belügt ihren Mann. Weil sie versucht, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Und das macht sie zu einer realistischen Person. Wo gibt's so was schon in einer romantischen Komödie?

CINEMA: Ist Ihr nächster Film "Breaking Up" auch eine romantische Komödie?

Salma Hayek: Er ist nicht unbedingt eine Komödie, aber ja, er ist sehr romantisch. Die Beziehung zwischen Mann und Frau geht in diesem Film noch etwas tiefer.

CINEMA: Das ist also Ihr zweiter Film in Folge, der sich mit Beziehungskisten beschäftigt...

Salma Hayek: Wissen Sie, wenn man zwei Filme dreht, in denen ständig etwas explodiert und Leute erschossen werden (grinst), möchte man sich danach mal dem wahren Leben, realistisch- en Figuren und Alltagsproblemen widmen. "Breaking Up" handelt von etwas, das mich sehr fasziniert. Und zwar von dem Phänomen, daß wir niemals die Person heiraten, die wir wirklich lieben. Denn vor der großen Liebe hat man Angst, man gibt sich völlig in die Hand des anderen und verliert die Kontrolle über sein eigenes Leben. Also heiratet man lieber jemanden, mit dem man gut klarkommt, mit dem man sich gut versteht. "Fools Rush In" erzählt von der Liebe, "Breaking Up" von der Angst vor der Liebe - der am weitesten verbreiteten Angst in den Neunzigern.

CINEMA: Damit müßten Sie ja Erfahrungen haben. Sie waren viermal verlobt, und es hat nie geklappt. Glauben Sie denn überhaupt noch an die Liebe?

Salma Hayek: Ich glaube an die Liebe, aber ich muß zugeben, daß ich an eine andere Art der Liebe glaube - ich bin nicht mehr so blauäugig. Und zu meinen Verlobungen will ich Ihnen folgendes sagen: Sie sind nicht geplatzt, weil ich Angst vor der Liebe hatte, sondern weil ich klug genug war, rechtzeitig abzuhauen. Einmal allerdings lebte ich mit einem Mann zusammen, und wir waren nicht verlobt. Trotzdem war ich fest der Meinung: Der ist es! Dieser Mann hat mir damals das Herz gebrochen. Und daher kommt wohl meine Angst vor der Liebe. Aber in den Neunzigern ist es doch allgemein so: Wir analysieren alles, wir müssen auf alles eine Antwort finden. Warum empfinde ich so? Warum hat er das gerade getan? Wir wollen alles verstehen, und dabei haben wir es verlernt, die Liebe einfach zu genießen.

CINEMA: Da wir gerade von Angst reden: Hatten Sie Angst vor Ihrem Umzug von Mexiko nach Los Angeles? Oder war es eher pure Aufregung, in L.A. zu arbeiten?

Salma Hayek: Es war eine Mischung aus Angst und Herausforderung. Jede Herausforderung bringt auch eine gewisse Angst mit sich, weil man nie weiß, was passieren wird. Und Aufregung (bitteres Lachen)... Es war alles andere als aufregend. Junge, bin ich durch die Hölle gekrochen. Aber meine Leidenschaft war stärker als die Angst.

CINEMA: Ihre ersten US-Filme haben Sie mit Robert Rodriguez gedreht. Sie beide haben den gleichen mexikanischen Background...

Salma Hayek: Oh Mann, mit diesem Mann verbindet mich so viel. Roberts Frau ist meine beste Freundin. Ich würde hier nicht sitzen und mit Ihnen reden, wenn diese Familie nicht an mich geglaubt und mir meine Chance gegeben hätte. Natürlich ist Robert ein guter Freund und ein Mentor, aber seine Frau ist für mich so etwas wie eine spirituelle Führerin.

CINEMA: Muß man Mexiko unbedingt verlassen, um beim Film Karriere zu machen?

Salma Hayek: Ich jedenfalls mußte es tun. Denn es gibt in Mexiko zwar viele Talente, aber kein Geld, um diese Talente zu enga- gieren. Also werden dort pro Jahr nur ein oder zwei wirklich gute Filme produziert. Als ich ein Fernsehstar war, gab man mir keine Chance, in einem dieser Filme mitzuspielen - auch, weil zwischen der Film- und der Fernseh- industrie eine Art Kleinkrieg herrscht. Also bin ich in die USA gegangen und habe auch dort im Fernsehen angefangen. Und soll ich Ihnen was sagen? Ich habe genau denselben TV-Dreck gedreht wie in Mexiko. Als ich das erste Angebot für einen Film bekam, schickte mir auch ein mexikanischer Regisseur prompt ein Kino-Drehbuch. Und ich sagte zu meinem Agenten: Weißt du was?! Ich gehe zurück nach Mexiko und drehe einen Film.

Er war erschüttert: (Laut:) "Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du hast zwei Angebote und entscheidest dich für das mexikanische? Warum bist du dann überhaupt hergekommen?" (Sanft:) "Weil mir vorher niemand was angeboten hat und ich außerdem glaube, daß dieser Film hier scheiße ist und der mexikanische toll wird." Lange Rede, kurzer Sinn: Ich wurde wütend, wir haben uns zerstritten, ich flog nach Mexiko und habe diesen Film gemacht. Er hieß "El Callejon de los Milagros", hat einen Sonderpreis in Berlin und 16 weitere internationale Auszeichnungen gewonnen. Der amerikanische Film, den ich sausen ließ, hat's nicht mal ins Kino geschafft. (Grinst:) Habe ich nicht eine tolle Nase für gute Filme?

CINEMA: Hat Hollywood für die private Salma Hayek mehr zu bieten als Mexiko? Oder gibt es tatsächlich irgendwas, das Sie in L.A. vermissen?

Salma Hayek: Das, was ich am meisten vermisse, kann mir weder Mexiko noch Los Angeles geben: meine Privatsphäre. Ich habe einfach kein Privatleben mehr, und das ist manchmal verdammt ätzend. Ansonsten vermisse ich kaum etwas, denn ich fliege alle Nase lang nach Hause, besuche meine Familie, stopfe mich mit mexikanischem Essen voll und bekomme Durchfall. Außerdem leben viele meiner Freunde mittlerweile auch in Los Angeles. Ich bin in der glücklichen Lage, beide Welten miteinander vereinbaren zu können.

CINEMA: Gibt es einen Regisseur, mit dem Sie immer schon mal zusammenarbeiten wollten?

Salma Hayek: (Wie aus der Pistole geschossen:) Woody Allen. Die Chance ist zwar ziemlich klein, weil er immer nur diese New-York-Stories dreht, aber vielleicht will ich gerade deshalb so gern mit ihm arbeiten.

CINEMA: Sie haben mal gesagt, daß Sie irgendwann mal einen Film drehen würden, der ein Klassiker wird. Haben Sie diesen Karrierepunkt nicht schon abgehakt?

Salma Hayek: Ich glaube, "Desperado" und vielleicht "From Dusk Till Dawn" sind schon auf ihre Art Klassiker. Robert (Rodriguez, die Red.) hat seinen eigenen Stil, seine eigene visuelle Sprache. Ich liebe es, mit solchen risikofreudigen Kollegen zusammenzuarbeiten, denn nur so kann sich die Filmindustrie weiterentwickeln. Das Angebot, über das ich gerade nachdenke, ist so ein Beispiel. Es ist ein kleiner, aber sehr starker Independent- Film. Ich soll einen Junkie spielen, deren Freund ein Pornostar ist und Aids hat. Und er hat eine Beziehung zu einem anderen Mann, den er wirklich liebt. Das Verhältnis zwischen diesen drei Menschen ist sehr intensiv, sehr selbstzerstörerisch. Ein verdammt harter Film. Ich glaube, ich werde ihn machen.

CINEMA: Sehen Sie sich Ihre Filme im Kino an?

Salma Hayek: Nee, ich gehe zur Premiere, und das war's dann. "Desperado" mußte ich mir mindestens 1000mal ansehen (verdreht die Augen). Robert arbeitet zu Hause am Schnitt, und immer wenn ich seine Frau besuchte, hörte ich mich im Hintergrund diesen bescheuerten Song singen (mit Kieksstimme): "Quédate aqui..."

CINEMA: Sie sind jetzt 28...

Salma Hayek: (Lacht.) Ja, bin ich, aber schreiben Sie das bloß nicht!

CINEMA: Was möchten Sie denn erreicht haben, wenn Sie 50 sind?

Salma Hayek: Hmmm... Wenn ich 50 bin, möchte ich Kinder haben und einen Ehemann. Und ich will ihn behalten! Außerdem möchte ich Rollen spielen, die nicht nur für Latino-Mädchen geschrieben wurden. Und ich will es allen gezeigt haben, die meinen, nur weil ich einen mexikanischen Akzent habe, sei ich nicht genauso smart wie sie.

Interview: Helmut Fiebig, Eric Stahl

EMAIL US TOP